Corona hier und dort

Bericht zehn aus China, 17. November 2020. Geschrieben von Michael.

Aus doppelt aktuellem Anlass schreibe ich heute einen kurzen Bericht über Corona. Warum doppelt aktuell: Zum einen verfolgen wir natürlich mit Sorge, wie sich in Europa (und auch in vielen anderen Teilen der Welt) die Zahl der Neuinfektionen erhöht. Zum anderen auch, weil ich letzte Woche unmittelbar von der Corona-Vorgehensweise hier in China betroffen war.

Aber der Reihe nach: Die Coronazahlen aus Europa und den USA sehen wir Ausländer in China alle mit Sorge. Auch die chinesischen Kollegen und Bekannten hören und lesen Informationen und fragen uns, wie die Corona-Situation in unserer Heimat aussieht. Welche Informationen genau in den chinesischen Medien übermitteln werden, wissen wir natürlich nicht. Wir können es ja nicht lesen. Die Fragen reichen von sehr offenen Fragen „Wie sieht es mit Corona in Deutschland aus?“ bis zu „Ist es gefährlich in Deutschland?“.

(Kleine Nebenbemerkung an dieser Stelle: Dem Thema Sicherheit begegne ich immer wieder in allen möglichen Facetten: Gesundheit, Kriminalität, Straßenverkehr etc. Dabei wird auch gerne der Vergleich zwischen der westlichen Welt und China thematisiert. Die Chinesen sind sehr stolz darauf, in einem sicheren Land zu leben. Auf das Thema Schusswaffen-Besitz von Privatpersonen – in China verboten – und die damit verbundenen Probleme in den USA bin ich besonders oft und lebhaft angesprochen worden.)  

Ich habe den Eindruck, die Fragen meiner chinesischen Gesprächspartner nach der Corona-Situation haben immer einen Anteil echter Sorge darum, was in Europa passiert, und einen Aspekt, der sich darum dreht, dass man gerne von Ausländern bestätigt bekommt, wie gut die chinesische Vorgehensweise gegen Corona funktioniert. Die Chinesen lieben ihr Land sehr.

Nach allem, was wir hier so mitbekommen, funktioniert die chinesische Antwort auf Corona tatsächlich hervorragend – einigermaßen sicher können wir das für Peking sagen. Covid-19 ist hier ständig ein Thema, aber kein Problem. Warum ist Covid-19 ständig ein Thema? Dafür ein paar Beispiele: Immer noch – obwohl die Infektionszahlen in Peking seit Monaten nahe null sind, muss man beim Betreten vieler Gebäude und Geschäfte und auch beim U-Bahn-Fahren eine Maske tragen. Das wird auch überall überprüft. Wenn man die U-Bahn-Station betritt und noch keine Maske angezogen hat, dauert es nur wenige Sekunden, bis einer der – in der U-Bahn allgegenwärtigen – Ordner einen dazu auffordert eine Maske anzuziehen. Auch eine Maske, die die Nase nicht bedeckt, wird sofort angemahnt.

Außerdem hat jeder Erwachsene auf seinem Smartphone ein sogenanntes Miniprogramm namens Beijing Health Kit – dies ist ein Programm, das in der Softwareumgebung einer der beiden Bezahl-Apps WeChat und Alipay läuft. Dieses Programm zeichnet auf, wo man war (wahrscheinlich auch, in wessen Nähe man war) und gibt einen Status aus. Siehe Foto. Gut und normal ist der Status „no abnormal condition“. Diesen Status muss man beim Betreten öffentlicher Gebäude und auch bei größeren Geschäften oder beim Besuch von Sehenswürdigkeiten vorzeigen. In der App ist ein Foto von der betreffenden Person hinterlegt, dieses wird mit dem Status angezeigt, so dass man nur mit dem eigenen Handy unterwegs sein kann. Ohne Handy ist das Leben (nicht nur deswegen) hier eher schwierig.

No abnormal condition!

Ich habe auf meinem Handy noch ein weiteres Miniprogramm meines Arbeitgebers. In diesem muss ich jeden Morgen einen Fragebogen ausfüllen: Es wird meine Körpertemperatur gefragt, ob ich Symptome habe, ob ich mit Personen zusammenwohne, die Symptome haben oder Kontakt hatte mit Personen aus Risikogebieten und so weiter. Neben der elektronischen Verfolgung der Bewegungen wird an vielen Stellen – auch wieder am Eingang zu öffentlichen Gebäuden, in der U-Bahn, am Eingang großer Geschäfte berührungslos die Temperatur gemessen, um kranke Personen zu identifizieren. Manchmal steht dort ein Wachmann mit Infrarot-Handthermometer, manchmal ein Kamerasystem.

Die Chinesen haben auch große Sorge, dass Einreisende den Virus re-importieren. Daher gibt es schon lange Einreisebeschränkungen und die Quarantäneregeln, die uns ja auch betroffen und den Startpunkt für diesen Blog dargestellt haben. Die Einreisebeschränkungen haben zur Folge, dass etliche Ausländer nicht mehr nach Peking zurückgekehrt sind oder nicht zurückkehren konnten. Auch das merkt man ganz unmittelbar. Sehr speziell war die Kieferorthopädiebehandlung bei Julia. Der Kieferorthopäde einer internationalen Klinik ist nicht nach Peking zurückgekehrt. Sprechstunde hält er trotzdem: per Handykamera. Ein chinesischer Zahnarzt – kein Kieferorthopäde – und eine des englischen mächtige Arzthelferin haben Julia untersucht und alle relevanten Gebisspartien gefilmt. Am anderen Ende der Videokonferenz hat der westlich aussehende Kieferorthopädiespezialist Anweisungen gegeben. Am Ende hat er die Diagnose gestellt und Vorschläge für die weitere Behandlung unterbreitet.

Auch die Deutsche Botschaftsschule leidet darunter, dass weniger Familien zurückgekehrt sind: deutlich weniger Schülers als in den Vorjahren!

Wenn tatsächlich eine Covid-19 Infektion entdeckt wird, wird sofort sehr schnell und sehr, sehr großflächig gehandelt. Und damit bin ich bei der Situation, in der ich selber als Randfigur die sehr umfassende Reaktion auf Infektionsfälle erlebt habe. Vor zwei Wochen donnerstags hatte meine Abteilung Besuch von einer regierungsnahen Testorganisation. Die Mitarbeiter kamen aus Tianjin – zufälligerweise der Stadt, in der wir in Quarantäne waren. Am darauffolgenden Montag ist ein Teil von Tianjin zum Gebiet mit mittlerem Covid-Risiko erklärt worden, da es dort wohl einen Coronafall gab, in einer Stadt mit 14 Millionen Einwohnern! Mein Arbeitgeber hier in China, BFDA, hat daraufhin verfügt, dass alle Mitarbeiter, die in den letzten Tagen mit Menschen aus dem Risikogebiet Tianjin Kontakt hatten (also weder der Mensch aus Tianjin noch unser Mitarbeiter muss irgendwelche Symptome aufweisen!) erst wieder zur Arbeit kommen dürfen, wenn sie ein negatives Covid-19 Testergebnis vorlegen können. Ich war um 14:00 Uhr im Krankenhaus. Am nächsten Morgen um 10:00 hatte ich mein Testergebnis und durfte wieder zur Arbeit.

Corona-Teststation am Krankenhaus.

Also wir sind gesund.

Bleibt ihr bitte alle auch gesund.

Liebe Grüße

Michael

 

Ein Kommentar zu “Corona hier und dort

  1. Hallo Michael,
    wieder ein Danke für deinen Bericht.
    Anmerkung 1: Ich habe dich anders in Erinnerung also auf dem Foto (hübscher) – aber da das dein deutscher PA ist, kann es sich nicht um Veränderungen unter chinesischen Einflüssen handeln. Beruhigend.
    Anmerkung 2: Die Wahrnehmung des Corona-Risikos ist ja überall zumindest nicht objektiv. Ich war neulich auf Mallorca und muss jetzt 10 Tage in Quarantäne, weil Spanien ‚Risikogebiet‘ ist. In Spanien trägt man auf der Straße Maske und die 7-Tage-Inzidenz liegt auf den Balearen (nicht: Festland) bei 110 – und hier im Kreis liegt sie bei 170-180. Aber Freunde fragen, wie es mir geht. Nun es geht mir gut. Und den anderen glücklicherweise auch.
    Grüße aus einem Risikogebiet
    Manfred

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