Bericht siebzehn aus China vom März 2021 über Geräte und Technologie im Alltag. Geschrieben von Michael.
Jetzt habe ich schon ziemlich lange nichts mehr geschrieben. Das ist vielleicht das offensichtlichste Zeichen dafür, dass wir im „Alltag in China“ angekommen sind. Die Welt um uns herum ist nicht mehr so fremdländisch und neu, irgendwie schaut man nicht mehr so genau hin und wundert sich auch nicht mehr so häufig. Das ist auf der einen Seite gut, denn das Leben wird dadurch entspannter; aber das Leben ist auch weniger spannend – entspannt im wahren Wortsinn. Vor vielen Jahren habe ich mal den folgenden Spruch gelesen:
Nach einer Woche in einem neuen Land
kann man ein Buch schreiben,
nach einem Monat
reicht es noch für ein Kapitel
und nach einem Jahr
nur noch für eine Seite.
Natürlich ist das zugespitzt, aber es ist was Wahres dran. Wir gewöhnen und adaptieren uns schnell an neue Situationen.
Ich bemühe mich, die Augen offen zu halten für die Unterschiede und mich daran zu erfreuen. Wobei man auch sagen muss, dass nicht alle Unterschiede erfreulich sind. Vieles ist anders, umständlicher und im Resultat oft enttäuschend ausgeführt. Das gilt manchmal auch für die Arbeit. Hier ist es besonders wichtig aufmerksam zu bleiben. Denn – da bin ich mit allen meinen ExPat-Kollegen einig—wenn wir es genauso machen wie die chinesischen Kollegen, dann braucht es die ExPats hier nicht. Also ist es die Herausforderung zu erkennen, wo wir Ausländer Veränderung, die auch nachhaltig ist, anstoßen können.
Jetzt aber zurück zum Alltag. Ich will hier ja nicht von der Arbeit berichten, sondern von unserem Alltag. Heute sind mein Thema Alltags-Technologie und Geräte im Alltag.
Bargeldlos bezahlen
Ich habe heute zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder Bargeld in der Hand gehabt. Das tägliche Leben findet bargeldlos statt. Eine App auf dem Handy (meistens WeChat oder Alipay) übernimmt die Bezahlfunktion: Man scannt einen QR-Code des Geschäftes, gibt den Betrag ein und das Geld wird auf das Konto, das dem QR-Code hinterlegt ist, überwiesen. Jeder Nutzer hat einen solchen QR-Code, sodass man auch beim winzigsten Stand, der am Straßenrand ein paar Äpfel verkauft, mit dem Handy bezahlen kann. Auch zwischen privaten WeChat-Usern kann man auf diese Weise Geld austauschen. Man gewöhnt sich rasend schnell daran und geht schon bald ohne Portemonnaie aus dem Haus. Das Handy reicht. Das aber muss man IMMER dabeihaben. Sonst kommt man nirgendwo rein und kann auch nichts bezahlen.
Gesichtserkennung
Eine weitere Technologie, die in China weit verbreitet ist, ist die Gesichtserkennung. Sie ist flächendeckend im Einsatz: Selbst einfache Getränkeautomaten haben eine Gesichtserkennungsfunktion – siehe Foto.

Der Getränkeautomat ist nicht unbedingt HighTech, die Bezahlfunktion schon: Man schaut in eine Kamera, die das Gesicht des Automatenkunden erkennt. Das Gesichtserkennungsmodul des Automaten ist mit einer Bezahlfunktion verbunden, das Geld wird automatisch abgehoben und unten purzelt die Getränkedose raus. Auch der Zutritt in das Clubhaus, das in unserer Wohnanlage steht, wird per Gesichtserkennung freigeschaltet: einfach in die Kamera schauen und der Besucher wird erkannt. Das Zeiterfassungssystem bei BFDA braucht noch nicht einmal eine eigene Kamera, um Gesichtserkennung zu betreiben: Auf dem Handy des Mitarbeiters läuft eine App, die die Zeiterfassungsfunktion beinhaltet (die Weiterentwicklung der Stechuhr). Wenn das Handy morgens auf das Werksgelände getragen wird, erkennt die App, dass das Handy am Arbeitsplatz ist, und dem Mitarbeiter wird eine Schaltfläche angeboten, um auf dem Handy einzustempeln („Punch-in“). Die App öffnet dabei die handyeigene Kamera und stellt per Gesichtserkennung sicher, dass auch der richtige Mitarbeiter das Handy in der Hand hält.
Temperaturmessung
Im Eingangsbereich von großen Gebäuden stehen Infrarotkamerasysteme, die beim Eintreten die Körpertemperatur messen und lauthals mit blecherner Stimme verkünden, dass die Körpertemperatur normal sei.

Wir haben (zum Glück) noch nicht erlebt, was die allgegenwärtigen Wachmänner tun, wenn die Körpertemperatur als nicht normal verkündet wird.
Elektrofahrzeuge
Auch auf der Straße findet man andere Lösungen als in Europa. Motorroller sind in Peking praktisch immer Elektro-Fahrzeuge. Das ist sowohl vom Geräusch als auch von den Abgasen her sehr angenehm. Kein Zweitaktgestank. Auch im Pkw-Segment ist der Anteil der Elektrofahrzeuge hoch. Man erkennt sie an andersfarbigen Nummernschildern. Beim autonomen Fahren gibt es in China auch Bemühungen. Wie weit diese wirklich gediehen sind, weiß ich nicht, aber das auf dem Foto abgebildete autonome Liefer-Fahrzeug – sicher ein Prototyp – haben wir im letzten Herbst hier in Peking auf der Straße gesehen (Foto).

Solarbeleuchtung
Straßenlaternen gibt es mit Solarpanel und Windrad (Foto).

Futtermaschinen
Den Essensportionierer für das Haustier gibt es in Deutschland vielleicht auch, aber ich habe ihn hier zum ersten Mal gesehen: Man befüllt das Gerät mit der Nahrung für das Haustier und zu einer programmierten Zeit wird das Futter freigegeben. Das gibt es mit Futterbehältern für sechs verschiedene Mahlzeiten, so dass Frauchen oder Herrchen auch mal länger wegbleiben können. Einen Wasserspender, der kontrolliert Flüssigkeit für das liebe, aber leider einsame Haustier abgibt, gibt es natürlich auch (Foto).

Fertigmahlzeiten
Für den hungrigen Menschen haben wir eine Fertigmahlzeit kennengelernt, die man überall warm zubereiten kann: Das Set besteht aus zwei ineinandersteckenden Plastikschalen mit Deckel, (ungekochtem) Reis, Soße, zwei Beuteln Wasser und einem stoffartigen Beutel mit unbekanntem Inhalt: In die größere Schale füllt man einen Beutel Wasser und legt das Stoffbeutelchen hinein. Dieses reagiert im Wasser und erhitzt das Wasser rasend schnell. Darüber wird das zweite Plastikschälchen eingehängt, das mit dem Reis und dem Wasser aus dem zweiten Beutel gefüllt ist. Ein Deckel kommt obendrauf. Das mit Chemie gefüllte Beutelchen im unteren Wasserbad entwickelt ausreichend Hitze, sodass der Reis im oberen Schälchen gekocht wird! Krass. Dann noch die Soße hinzugeben und nach 10 Minuten ist der Reis fertig und das Essen heiß.

Interessant auch, wo wir diese Mahlzeit kennengelernt und eingenommen haben: Wir waren im Nationalmuseum Chinas, einem riesigen Museum mit vielen Ausstellungsstücken aus der Geschichte Chinas. Im Museumsrestaurant gab es genau diese Mahlzeiten. An bestimmt dreißig Tischen saßen Museumbesucher und haben indoor ihre Fertigmahlzeit auf dem Tisch gekocht. Wir wissen nicht, ob das eine Corona bedingte Sonderregelung war, oder ob das den Regelbetrieb in diesem Museumsrestaurant darstellt.
Alltagstechnik
Auch im Alltag gibt es Geräte und Werkzeuge, die wir in Europa so nicht benutzen. Die Essstäbchen sind ein gutes Beispiel, das jedem bekannt ist. Neu waren mir die Essstäbchen mit auswechselbarer Spitze im Restaurant. So kann der schmucke Korpus des Stäbchens wiederverwendet werden, während die Spitzen des Stäbchens vermutlich aus hygienischen Gründen weggeworfen werden und jeder Gast eine fabrikneue Stäbchenspitze erhält (Foto).

Anders als unsere Erfahrung im Nationalmuseum vermuten lässt, räumen die Chinesen in der Regel dem Essen einen hohen Stellenwert ein. Es ist ein wichtiger Bestandteil der Alltagskultur. Im Restaurant sind bei Tischen für mehr als vier Personen runde Tische die Regel. In der Mitte des Tisches befindet sich eine große drehbare Platte – meist aus Glas –, auf die die Speisen gestellt werden, die man dann teilt. Bei großen Tischen ist die Platte mit einem Elektroantrieb versehen und bewegt sich kontinuierlich langsam im Uhrzeigersinn (Foto).

Ein weiteres Alltagsgerät, das wir in Deutschland so nicht benutzen, ist der Luftfilter. Den Pekinger Smog, der vor einigen Jahren so schlimm war, dass er es auch in die deutsche Tagesschau geschafft hat, gibt es wohl gottseidank nicht mehr. Es gibt aber immer noch Tage, an denen die Luftqualität so schlecht ist, dass von Outdoor-Aktivitäten abgeraten wird. Die Luftverschmutzung ist wohl eine Mischung aus natürlichen Ursachen (Wüstenstaub aus der inneren Mongolei) und von Menschen erzeugten Emissionen. Um zumindest im Haus eine bessere Luft zu atmen, haben wir und alle ExPats sowie viele Chinesen Luftfilter, die im Haus verteilt stehen und die Raumluft umwälzen und durch ein Filterelement drücken. Dieses Filterelement muss man von Zeit zu Zeit austauschen. Wir haben für unser Haus sieben solche Luftfilter (Foto).

Die Abflussstopfen in den Waschbecken in unserem Haus funktionieren nach dem gleichen Prinzip, wie wir es von zu Hause kennen. Es gibt aber auch ein anderes Funktionsprinzip: den drehbar gelagerten Abflussstopfen, siehe Foto. Eine umlaufende Gummilippe dichtet den Abfluss ab und hält den Stopfen in Position.

Und fast zum Schluss noch der Vollständigkeit halber, ein alter Hut, den man aus vielen Ländern kennt: Klar, die Stecker sind anders – siehe Foto. Das Stromnetz im Haus allerdings ist wie in Europa auch 220 Volt , 50 Hz.

Den Wetterbedingungen hier in China geschuldet, gibt es überall an den Hausfassaden Klimaanlagen. Die unterscheiden sich nicht von den Klimaanlagen, die man aus anderen Weltgegenden kennt. Bemerkenswert fand ich aber die Menge der Anlagen an diesen zwei Hausfassaden, die ich Euch gerne noch zeigen will
So heiß wird es hier …
Das war‘s zu den Alltagsgeräten. Ich hoffe, es hat Euch Spaß gemacht.
Zum Schluss noch was aus unserem Hilgers-Alltag: Das Clubhaus in unserer Wohnanlage, das komplett abgerissen wurde, ist jetzt wiedererrichtet und eröffnet worden – mit der oben beschriebenen Gesichtserkennung. Wir haben jetzt ein Fitnessstudio und ein Schwimmbad vor der Haustür, beides brandneu und hübsch. Eine neue Freizeitbeschäftigung nach langen Arbeitstagen. Hoffentlich leidet der Blog nicht darunter. Auf der anderen Seite ist die englische Übersetzung meines Buches (endlich) fertig. Vielleicht doch mehr Zeit für den Blog? Wir werden sehen.
Ich freue mich, Euch wieder was aus China berichtet zu haben.
Bleibt gesund und wachsam!
Euer Michael
Danke MIchael, sehr interessant und – die Sache mit der Gesichtserkennung – selbstverständlich teilweise für uns abschreckend. – Was die Corona-Politik betrifft, schaut ihr wahrscheinlich mitleidsvoll hierher.
Liebe Grüße
Manfred R.
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