Bericht 19 aus China vom 01. Mai 2021 über Verkehr und Autos. Geschrieben von Michael.
Ich glaube, wir haben schon mehrfach über den Verkehr in diesem Blog geschrieben. Weil Verkehr aber so wichtig ist und man in einer Stadt wie Beijing tatsächlich ziemlich viel Zeit im Auto zubringt, gibt es heute noch ein bisschen mehr zum Thema Autoverkehr und Fahrzeuge. Heute gibt es auch mehr Fotos als Text. Have Fun!
Nachdem Simone ja schon vor drei Monaten die chinesische Führerschein-Theorieprüfung bestanden hat, habe ich vor einigen Wochen nachgezogen. Wir nehmen jetzt also am Autoverkehr teil und machen eigene Erfahrungen. Wichtig ist die Hupe: In China ist Hupen kein Tadel, sondern eine Serviceleistung für andere Verkehrsteilnehmer. Wenn man überholt oder auch sonst anzeigen will, dass man seine Fahrt rasch fortsetzen will, dann hupt man. Wer hupt, der fährt. Auch die Lichthupe gilt als normales Kommunikationsmittel. Die Verkehrsregeln sehen vor, dass man, wenn man sich des nachts bei Dunkelheit von hinten einer Fußgängergruppe nähert, diese doch bitte mit der Lichthupe warnt. Auch das eine wohlgemeinte Serviceleistung. Beim Überholen warnt man den entgegenkommenden Verkehr ebenfalls per Lichthupe.

Nicht gedeckt durch die öffentlichen Verkehrsregeln ist die Behandlung des Blinkers: dieser ist auch in China beim Spurwechsel auf der Autobahn vorgeschrieben. Die gelebte Praxis gibt das allerdings überhaupt nicht wieder. Hier wird der Blinker als optional angesehen; um genau zu sein: der Blinker wird eher als sehr exotische Option betrachtet.
Exotisch kamen mir am Anfang auch einige der motorisierten Gefährte vor. Hier ein schönes Beispiel, das wir insbesondere in Zhangjiajie häufig gesehen haben:

Auch die Dreiräder, die es hier zuhauf gibt, kennen wir so aus Europa nicht:

Der Paketlieferdienst (hier mal schlafend) fährt solch ein Dreirad, der Handwerker, der Straßenkehrer und auch der mobile Essensstand am Straßenrand. Der Vorteil ist, dass man den Bürgersteig, den Radweg und auch alle anderen Flächen damit befahren kann und immer zwischen den allgegenwärtigen Pollern durchkommt. Die Städte sind komplett verpollert, denn jeder zugängliche Raum wird als Verkehrsfläche oder Parkplatz genutzt. Außerdem ist es mit den Dreirädern offenbar toleriert und geübte Praxis am Straßenrand im Gegenverkehr zu fahren. Das spart so manche umständliche Überquerung der zum Teil sehr breiten x-spurigen Straßen. Für den Handwerker haben die schmalen Dreiräder außerdem noch den Vorteil, dass der Handwerker samt Werkzeug und Material in größere Gebäude gleich reinfahren kann. Diese Fotos sind vor meinem Büro im dritten Stock gemacht:

Die kleinen Dreiräder werden gerne auch kunstvoll hoch beladen und nehmen so am Straßenverkehr teil:

Und, glaubt mir, dieses Foto ist noch lange nicht das Maximum! Leider war das wirklich überladene Fahrzeug in Xi’an so schnell, dass ich das Handy nicht schnell genug gezückt hatte!
Auch im Personentransport wird der untere Rand der motorisierten Fortbewegung von interessanten Fahrzeugen gebildet. Im Foto ein besonders platzsparendes Mobil. Nein, das Foto ist nicht verzerrt.

Schön auch der dreirädrige Personentransporter in Edelstahloptik:

Im „normalen“ Autoverkehr gibt es auch so einiges zu sehen. Ich behaupte es gibt auf der ganzen Welt keinen so vielfältigen Automarkt wie hier in China. Es gibt die amerikanischen Fabrikate, die japanischen Hersteller, die koreanischen Fahrzeuge, praktisch alle europäischen Marken (außer Fiat und Renault) und eine Vielzahl von chinesischen Fahrzeugherstellern, die es eben nur hier in China gibt. Die chinesischen Fahrzeugmarken sind so zahlreich, dass auch mein Auto-affiner chinesischer Kollege gerne mal durcheinandergerät, was für ein Fabrikat wir gerade vor uns haben. Viele der chinesischen Marken sind reine Elektroauto-Brands mit zum Teil sehr schmucken Fahrzeugen. Hier zwei Beispiele: Arcfox Sportwagen und Hiphi mit Dachflügeltür und hinten angeschlagener Fondstür. Ob die Fahrzeuge schon ausgeliefert werden, weiß ich nicht.


Man findet hier auch europäische Marken, die eigentlich ausgestorben sind wie zum Beispiel Borgward und MG:

Da hat sich dann eine chinesische Firma die Namensrechte aus der Konkursmasse gesichert und verspricht sich mit dem europäischen Namen das eigene Image aufzupolieren. Borgward ist über die chinesische Mutter Foton sogar recht nah verwandt mit BFDA, der Firma, in der ich arbeite.
Auch die meisten „ausländischen“ Autos, die man hier sieht, kommen aus chinesischen Fabriken, da sehr viele Fahrzeughersteller Fabriken in China betreiben – allerding nahezu immer als Joint Venture, an dem ein chinesische Partner beteiligt ist und mitverdient (in der Regel 50%). Importierte Fahrzeuge gibt es besonders im Hochpreissegment, da Importfahrzeuge mit einer zusätzlichen Steuer belegt sind. Und das Hochpreissegment ist in Städten wie Peking und Shanghai groß. Die Häufigkeit, mit der man hier eine S-Klasse, einen Rolls-Royce, einen Bentley, Lamborghini oder Ferrari sieht, ist erheblich grösser als in Stuttgart (Ok, S-Klasse vielleicht nicht).Aber das haben wir, glaube ich, schon erwähnt.
Immer wieder sticht auch eine Luxuskarosse in der Farbgebung aus der Umgebung heraus. In China sind auch rosa, lila, gold und pink gültige Autofarben: Diesen schönen (?) RollsRoyce habe ich als Beispiel dabei: Auch rosa ist eine gültige Autofarbe:

Und zum Schluss noch das verunglückte Fahrzeug aus der Nachbarschaft: ein auf Leichenwagen-Optik verlängerter Range Rover:

Fahrt nicht zu schnell und beachtet die Überholverbotsschilder!
Euer Michael
