Achter und letzter Teil: Grasland-Viehtrieb und Glück mit dem Timing

Bericht 29 vom 23. August 2021, geschrieben von Michael.

Die letzte Station unseres Urlaubs hat nochmal einige echte Höhepunkte bereitgehalten.

Wir sind zunächst nach Xiahe gefahren, um das Kloster Labuleng (in Wikipedia: Labrang) zu besuchen.

Dort waren wir just einen Tag BEVOR ein sehr hoher Lama aus Peking kam. Das war interessant, da man im Kloster und in der ganzen Stadt eine gewisse Aufregung spüren konnte: Die Mönche im Kloster schienen sehr aufgeregt, in der Stadt fuhren dickgepanzerte Polizeiwagen herum und im Hotel ist unser Zimmer von Polizisten gescheckt worden. Glück gehabt, dass wir das Kloster noch besuchen konnten, da einen Tag später das Kloster für Besucher komplett gesperrt wurde.

Am folgenden Tag hatten wir erneut Glück mit dem Timing:  Wir sind in das Ganjia Grasland gefahren. Plötzlich war die ganze Straße gefüllt mit Tieren: Ziegen und Yaks! Kilometerlang auf der Hauptstraße alles voller Tiere. Wir sind zufällig in einen riesigen Viehauftrieb gekommen.

Einmal im Jahr, im Sommer, werden die Tiere aus dem Ganjia Grasland (3400 m Höhe) auf ein noch höher liegendes Hochplateau getrieben.  Der endlose Strom aus Tieren besteht aus vielen einzelnen Herden. Vielfach zu erkennen an unterschiedlichen Farbmarkierungen der Tiere. Bei einer Herde haben alle Tiere das linke Horn blau markiert. Andere Herden haben einen großen roten oder gelben Fleck auf dem Fell. Auf geschätzt vier oder fünf Ziegenherden kommt eine Yak-Herde.

Die Herden werden von Hirten auf Pferden oder auf Motorrädern zusammengehalten. Auch Fußgänger begleiten die Herden.

Die Herden bewegen sich auf der Straße und dem danebenliegenden Grünstreifen; wir vermuten, dass sie das tun, um keine Felder, Gärten oder Wiesen zu zerstören und sich den damit verbundenen Ärger zu sparen. Die Straße ist allerdings hinterher mehr als dreckig.

Irgendwann biegt der endlose Treck der Herden in ein wildes Tal ein, das durch eine Schlucht auf das Hochplateau führt.

Erneut Glück gehabt, denn das war genau die Schlucht, die wir auch besuchen wollten. In der Schlucht gibt es eine Höhle, in der ein buddhistischer Mönch gelebt hat und die gleichzeitige Fundstelle eines Frühmenschen (100.000 vor Chr.)  ist. Die Höhle kann man besichtigen, wenn man sich nicht scheut an fadenscheinigen Seilen extrem rutschige Abhänge herunterzuklettern und sich durch Löcher zu zwängen, in den sich eine erwachsene Person kaum um sich selbst drehen kann.

Wir sind nicht bis ans Ende der Höhle geklettert, wie einige der Tibeter, die mit uns in die Höhle gestiegen sind, aber es hat gereicht, dass wir wackelige Knie hatten und froh waren, als wir wieder raus kamen. Da war es doch ein Klacks ein paar hundert Meter mit den Tierherden die Schlucht heraufzuwandern.

An den Engstellen der Schlucht kommt es immer wieder zu Verzögerungen, da sich die einzelnen Tiere nacheinander dort durchbewegen müssen. Der Zug der Tiere stockt und die Hirten halten dann die einzelnen Herden etwa 20m bis 50m voneinander getrennt. Eine Herde nach der anderen geht die Schlucht hoch. Extrem sehenswert. Die Ziegen weichen in der Regel vor uns Menschen zurück. Bei den Yaks haben wir immer schön Abstand gehalten.

Neben dem Viehauftrieb – für mich definitiv einer der Höhepunkte unseres Urlaubs – gibt es auf dem Ganjia Grasland noch weitere Sehenswürdigkeiten: Mitten im Nirgendwo steht eine wohl hunderte von Jahren alte Stadtmauer (jemand hat gesagt: 2000 Jahre alt), aus Lehmziegeln erbaut und 10m hoch. Die Stadtmauer ist kreuzförmig angelegt. Im Inneren liegt ein eher verlassen wirkendes Dorf, in dem wir nur alte Menschen gesehen haben. Aber offenbar hat man in der Vergangenheit hier oben mal eine sehr wichtige Stadt bauen wollen, warum auch immer.

In der Nähe liegt der Zuohaisi Tempel. Dieser gehört zu einer Spielart des Buddhismus, bei der die Gebetsmühlen anders als im Mainstream-Buddhismus gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden. Auch hier hatten wir den Eindruck, dass sowohl der Tempel als auch das umliegende Dorf irgendwie vernachlässigt und von den jungen Leuten verlassen zu sein scheinen.

Bei den wenigen (meist touristischen) Dörfern, die wir zuvor gesehen haben, hatten wir nicht den Eindruck, dass die Dörfer in China vernachlässigt sind. Aber irgendwo müssen ja die ganzen Menschen herkommen, die das rasante Wachstum der Städte in China verursachen. Die Stadt Lanzhou, von der im letzten Bericht die Rede war, hat sich laut Wikipedia.de in 30 Jahren fast verdreifacht: Sie ist von 1,35 Mio Einwohner im Jahre 1985 auf 3,7 Mio. Einwohner im Jahre 2016 angewachsen.  Nun zurück zum Zuohaisi Tempel: Offenbar gab oder gibt es das Bestreben auch dieses Dorf wieder zu beleben. Auf dem Platz vor dem Tempel steht ein recht neues Verwaltungsgebäude mit chinesischer Fahne davor: drei Stockwerke hoch.

Das ganze Gebäude wird derzeit offenbar überhaupt nicht benutzt. Irgendwie surreal. Der einheimische Guide meinte dazu, das Gebäude würde in der Zukunft benutzt werden, wenn hier am Tempel Tourismus entsteht. Nun gut, dann waren wir die Vorhut.  

Ich wünsche Euch, dass ihr auch immer vorne dabei seid!

Alles Gute, Michael

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