Bericht 37 vom 12. April 2022, geschrieben von Simone.
Manchmal fühle ich mich wie die kleine Raupe Nimmersatt: Umgeben von alter und neuer Kultur, hoher Kunst und Alltagsprosa, Wundern der Natur und Wundern der Baukunst nutze ich so viel Zeit wie möglich, um Peking und seine Umgebung zu entdecken.
Frei nach Eric Carle geht das etwa so:
Nachts, im Mondenschein, lag auf einem Bett eine Mutter. Und als an einem schönen Dienstagmorgen die Sonne aufging, hell und warm, da schlüpfte aus ihrem Bett – knack, eine hungrige Raupe. Sie macht sich auf den Weg, um Futter zu suchen. Am Dienstag fraß sie sich durch die Verbotene Stadt, aber satt war sie noch immer nicht. Am Mittwoch fraß sie sich durch zwei Hutongs, aber satt war sie noch immer nicht. Am Donnerstag fraß sie sich durch drei Galerien, aber satt war sie noch immer nicht. Am Freitag fraß sie vier Wanderungen, aber satt war sie noch immer nicht. Am Samstag fraß sie sich durch fünf Tempel, aber satt war sie noch immer nicht. Am Sonntag fraß sie sich durch: einen Park, eine Ausstellung, einen Berg, eine Radtour, eine Fabrik, einen See, einen Markt, eine Oper, ein Oktoberfest, eine große Mauer, einen Turm, einen Fluss. An diesem Abend hatte sie Kopfschmerzen. Der nächste Tag war ein Montag. Die Mutter fraß sich durch ein Sofa. Es ging ihr nun viel besser, der kleinen Raupe Nimmersatt. Sie war nicht mehr hungrig, sie war richtig satt. Bis zum nächsten Dienstag…
Von unseren Urlauben haben wir ja bereits ausführlich berichtet, heute möchte ich von meinen Dienstags-Vergnügen erzählen. Denn jeden Dienstag organisiert die Patengruppe der Deutschen Schule einen Ausflug, und wer ist da so oft wie möglich dabei? Ja, genau, ich. Während die Kinder in der Schule sind und Michael arbeitet, fahre ich an meinem freien Tag mit der Patengruppe los, um Peking und Umgebung zu entdecken. Denn ein Grund, weshalb ich nur Teilzeit arbeite, ist genau dieser Dienstag.
Einige deutsche Frauen, die schon viele Jahre in Peking leben, organisieren Wanderungen auf der Chinesischen Mauer oder in den Pekinger Bergen, Fahrten zu Stoff-, Woll- oder Antikmärkten, kulinarische Entdeckungsreisen per Fahrrad oder zu Fuß, Führungen durch die Verbotene Stadt, Hutongs oder Tempelanlagen… Jedes Mal gibt es so viel Neues zu entdecken! Es öffnen sich Türen und ein neuer Mosaikstein Chinas und Pekings wird sichtbar. Von jedem einzelnen Dienstag könnte ich einen eigenen Artikel schreiben. Heute möchte ich etwas sehr Typisches vorstellen, was ich auch mit der Patengruppe besucht habe: Pekings ursprüngliche Bebauung, die Hutongs.
Statt langer Worte hier einige Bilder, sie sagen viel mehr!


























Ursprünglich bestand ein Hutonghaus aus Räumen an drei Seiten eines Innehofs und einer Mauer drumherum. Im Lauf der Zeit sind die meisten Innenhöfe ebenfalls bebaut worden und es ist ein großes Wirrwarr entstanden. Hutongs gibt es in allen Varianten, aber die meisten sind eng, dreckig, grau und voll. Jede Ecke wird genutzt, um etwas abzustellen, und obwohl jeden Tag die Reinigungsleute durchgehen, Müll einsammeln, kehren, sieht es immer ein bisschen aus wie auf einer Müllhalde. Viele Westler lieben diese alten Siedlungen und bedauern, dass mehr und mehr abgerissen werden, um modernen Häusern Platz zu machen. Ich stelle mir das Leben in einem Hutong im Winter äußerst ungemütlich vor! Für uns ist ein modernes Haus im traditionellen Stil genau das richtige. Noch authentischer muss es für mich persönlich nicht sein…
In diesem Sinne viele Grüße!
Simone