Warten auf den Lockdown

Bericht 38 vom 26. April 2022, geschrieben von Simone

10 Kilo Mehl, 5 Kilo Nudeln und 5 Liter Sonnenblumenöl. Und natürlich 50 Rollen Klopapier. Ich werde ein neues Regal brauchen für meine Hamsterwaren. Neben den 5 Fässern mit Trinkwasser ist ein guter Platz: kühl im Keller, aber nah an der Treppe.

Ich musss noch Zahncreme, Deo und Pesto auf den neuen Einkaufszettel schreiben. Mir fällt bestimmt noch mehr ein, wenn meine Gedanken weiter kreisen um die Frage, was sinnvoll sein könnte für den drohenden Lockdown. Solange nur unsere Siedlung oder unser Stadtteil zugemacht werden, habe ich keine Sorgen. Wir werden alles bestellen können. Die Apps habe ich bereits aktualisiert, die Kontakte zur Gemüsefrau und zum Nussverkäufer hole ich mir heute Abend. Aber wenn ganz Peking in den Lockdown geht, gehen auch all die Lieferdienste und Supermärkte in den Lockdown, dann wird es schwierig, die Dinge des täglichen Gebrauchs zu bekommen.

Schon vor Wochen habe ich aufgestockt, jetzt nochmal nachgelegt. Aber 5 Personen für 5 Wochen satt zu bekommen – geht fast gar nicht. Vielleicht ja noch länger. Also gilt es klug auswählen und auch an Waschmittel und Spülmaschinentabs denken. Und den Kaffee! Was vermissen die Menschen in Shanghai? Frische Erdbeeren. Hm, schwierig. Eine einsame Erdbeerpflanze steht bei uns im Garten. Unsere Ayi hat vorgeschlagen, verschiedenes Gemüse in unserem Garten anzupflanzen. War vielleicht doch eine gute Idee.

Es ist eine komische Situation. Im Internet und in den WeChat-Gruppen kursieren Filme von eingeschlossenen Menschen in Shanghai, hungernden Leuten, die nach Essen rufen. Ich bin optimistisch, dass dies nur Einzelfälle sind. Aber Freunde meines Sohnes schickten ihm gestern Bilder aus unserem Supermarkt um die Ecke, in dem es kein Obst und Gemüse mehr gibt. Alles leergehamstert. Die Ärztin fragte uns schon vor zwei Wochen, ob wir alle Medikamente haben, die man vielleicht brauchen könnte. Wir glauben schon. Aber wer weiß schon, was wir brauchen werden?

Ich habe heute morgen im Supermarkt um die Ecke noch alles bekommen, was ich wollte. War allerdings auch eine halbe Stunde vor Öffnung da. Wie es morgen aussieht? Schauen wir mal.

Unsere Familien und Freunde in Deutschland machen sich Sorgen um uns. Sie sehen ja nur die Bilder im Fernsehen – die ehrlich gesagt fast nichts mit dem gemein haben, was wir mit unseren eigenen Augen sehen. Sicher gibt es extreme Auswüchse, aber unsere Erfahrung bislang ist: Es gibt immer eine Lösung. Und die Null-Covid-Strategie, die in Deutschland mal belächelt, mal verteufelt wird, hat uns bisher mehr Freiheit gebracht als Europa. Wir haben uns in den vergangenen 1,5 Jahren freier bewegt als unsere Familien und Freunde in Deutschland – ohne Ansteckungsgefahr, ohne Infektion, ohne Long-Covid und ohne Todesfälle. Mir scheint, die Konsequenzen sind hier wie dort ähnlich hart – nur hier vor dem Ausbruch, dort nachher. Über den Sinn einzelner Maßnahmen kann man sicher endlos streiten, hier wie da.

Wir machen uns auch Sorgen. Keiner weiß, was wird. Wir werden es überstehen. Wie lächerlich unsere Angst vor dem Lockdown ist im Vergleich zum derzeitigen Leben in der Ukraine.

Parallel planen wir für Juli Urlaub in Deutschland. Neun Wochen Sommerferien schenkt uns die Schule – da bleibt neben 3 Wochen Quarantäne noch genug Zeit für Familie und Freunde. Die Hinflüge sind gebucht, mit den Rückflügen haben wir bislang noch gewartet, weil sie nicht stornierbar sind und wahnsinnig teuer. Jetzt sind die besten Rückflüge ausgebucht und die Inzidenzen in Deutschland immer noch zu hoch. Urlaub in Deutschland heißt das Risiko eingehen, dass sich jemand von uns mit Corona infiziert. Würden wir heute reisen, stünde die Chance 1:3, dass sich einer von uns Corona einfängt. Und dann würde die Familie gespalten: Nur ein Teil könnte zunächst nach China zurückkehren oder, noch schlimmer, einer von uns müsste ins chinesische Corona-Krankenhaus. Denn wer infiziert ist, kommt hier bislang automatisch ins Krankenhaus. Das wollen wir für keines unserer Kinder. Zumal wir von Wochen sprechen, nicht von Tagen.

So sitze ich nun auf dem Sofa, die Einkäufe noch verpackt, und warte.

Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern. Wird schon werden.

Denkt an uns, wir denken an euch!

Simone

Ein Kommentar zu “Warten auf den Lockdown

  1. Hallo liebe Hilgers,

    schön von euch zu hören, nicht schön eure Umstände zu hören:

    Wenn ich richtig verstanden habe, müsst ihr wieder 3 Wochen in Quarantäne nach eurem Urlaub hier bei uns. Und ihr nehmt es auf euch – das zeigt wie wichtig es euch ist. Es tut mir leid, dass es so schwer ist wenn ihr nach fast 2 Jahren einmal kurz nach Hause wollt.

    Und Lockdown hört sich auch nicht gut an ….

    Gefühlt hatten bei uns bisher ca. 60% der Menschen in unserer Umgebung Corona, meine Frau sogar 2 Mal. Und fast jeden Tag kommen immer noch neue dazu. Das Gute ist, nur wenige liegen mehrere Tage im Bett, selbst 80-jährige nutzen die Krankheitswoche um zu Hause aufzuräumen… Eigentlich interessiert es keinen mehr.

    Der Krieg in der Ukraine hat Corona total verdrängt und wirkt auf mich wesentlich bedrohlicher. Man kann nur hoffen, dass die Regierungen eine realistische und richtige Einschätzung ihres Handelns haben. Dem kleinen Mann bleibt da sicherlich einiges verborgen – vielleicht auch gut so.

    Michael, so langsam wirst du dich auch wieder mit deiner Rückkehr nach Deutschland beschäftigen – ich drücke die Daumen, dass du ein richtig gutes Angebot bekommst und Europa bis dahin wieder ein Ort der Unbekümmertheit geworden ist.

    Ich wünsche euch eine angenehme Zeit, dass euer Urlaub viel besser wird als erwartet und dass ihr gemeinsam viel Spaß habt und noch viele tolle Erfahrungen machen könnt.

    Bleibt gesund und munter! Andreas

    PS: Und hier noch 2 Bilder aus unserem Leben, Annette auf der Harley unseres Freundes Michael und ich beim Anbaggern einer Dame auf dem Hohenstaufen.

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