Bericht 60 aus China vom 12. Februar 2023. Geschrieben von Michael.
Die Mitte von Kambodscha ist eine Ebene, in der der Tonle-Sap-See und der Tonle-River liegen. Im Sommer, wenn Schmelzwasser aus dem Himalaya den Mekong runterfließt, fließt auch Wasser aus dem Mekong in den Tonle-Sap-See und der See wächst auf ein Mehrfaches der Größe an, die er während der Trockenzeit aufweist. Der Tonle-Sap-See ist sehr fischreich – oder zumindest war er das mal. Wir haben gelesen, dass er heute überfischt ist und die Fangmenge, die wir bei einigen einheimischen Fischern gesehen haben, war alles andere als eindrucksvoll. Der Tonle-Sap-See und das Flusssystem drum herum mit dem Tonle-Fluss und dem Mekong sind für die Landwirtschaft wichtig: Die Überflutung wässert das Land. Kambodscha ist grün und fruchtbar und dort, wo keine Menschen leben, wachsen große Bäume.
Auf den großen tropischen Bäumen gibt es einen Parasiten, der in der Baumkrone andockt und dann eine Luftwurzel nach unten wachsen lässt. Wenn die dann den Boden erreicht, wurzelt sie dort und es entsteht eine lotrechter kerzengerader (zunächst) dünner Stamm. Weil der Stamm über einen langen Bereich so gerade ist, sieht das dann sehr künstlich technisch aus.

Wenn man von Phnom Penh nach Siem Reap fährt, dann geht die Hauptstraße zuerst am Mekong, dann am Tonle-Fluss entlang und die Straße liegt etwas erhöht auf einer Art Damm, so dass die Straße nicht (so schnell) überflutet wird. Auch die Häuser stehen in der Regel auf einer Erdfläche, die circa 1.5m höher liegt als die Felder. Manchmal sieht man, dass ein neues Plateau am Rande der Straße aufgeschüttet wird, vermutlich um Bauland zu schaffen. Die Felder werden bei Hochwasser überschwemmt, die Straße und die Häuser erst bei höherem Hochwasser.
Der Tonle-Sap See, der Fischreichtum und die Überflutung sind Gründe, warum sich vor 1000 Jahren hier eine Hochkultur gebildet hat, die diese eindrucksvollen Tempel gebaut hat. Das Khmer Reich vor 1000 Jahren fußte auf den guten natürlichen Gegebenheiten der kambodschanischen Zentralebene. Zusätzlich verstanden die Khmer es, ihre Ländereien geschickt zu bewässern und sie legten große Wasserspeicher an, die man heute noch sehen kann; sogar aus dem Flugzeug in 10.000 Meter Höhe. Ist auf dem Foto vielleicht ein bisschen schwierig zu erkennen, ich hab’s trotzdem mal versucht.

Dieses Wissen ermöglichte es den Khmern mehrfach im Jahr Reis zu ernten. Es entstand eine Hochkultur, die genügend Ressourcen hatte, andere umliegende Völker zu unterwerfen und prächtige Tempel zu bauen. Die Bautätigkeit ist in mehreren Dimensionen eindrucksvoll. Zum einen haben die Khmer unglaublich viel gebaut. Es scheint, jeder Khmerkönig hat einen neuen Riesentempel gebaut, manche sogar mehrere. Und viele der Tempel sind jeder einzeln für sich beeindruckend groß und prächtig. In Nischen und Ecken stehen unzählige Steinfiguren, vielfach Tänzerinnen.

Und die Tempelmauern sind häufig noch mit Reliefs verziert. Zur Zeit der Erbauer war die Kultur hinduistisch geprägt, so dass die Tempel (und die Reliefs) sich auf die hinduistische Mythologie beziehen.

Der Tempel selber symbolisiert den mythologischen heiligen Berg Meru …

… und der Wassergraben (den viele Tempel haben) symbolisiert wohl den Ur-Ozean – hat man uns erzählt und so steht es auch im Reiseführer.

Die Steinbauten der Khmer waren entweder Fundamente oder religiöse Bauten. Profanbauten, auch der Königspalast, wurden aus Holz gebaut und sind daher nicht mehr vorhanden. Die Holzbauten sind ausnahmslos weg. Die Städte zur damaligen Zeit müssen riesig gewesen sein: Die Stadt Angkor Thom hatte eine Stadtmauer außen rum von 3km mal 3km und wird auf 100.000 Einwohner geschätzt. Angkor Thom heißt auch so viel wie große Stadt. Stadtmauer, Tempel und ein paar Gebäude für Rituale stehen noch. Die Stadt ist weg. Allein der große Platz von Angkor Thom den der König wohl für Militärparaden genutzt hat, beeindruckt durch seine Größe.

Das macht die Gegend um Angkor Wat und die anderen Tempel aus meiner Sicht so bezaubernd: Die Städte sind weg und dort, wo sie standen, ist heute ein prächtiger, fruchtbarer grüner Wald mit sehr hohen Bäumen. Die vielen Wassergräben und Teiche, der Wald und die Tempel bilden ein sehr schönes Ensemble. Der Wald hat (zumindest im Januar, wenn es in Kambodscha „nur“ 32 Grad warm ist) auch noch den Effekt, dass es angenehm kühl ist und man sehr viel Schatten hat.

Zum Teil greift der Wald natürlich auch in die Tempel über. Einige Tempel werden stärker überwachsen (und dabei beschädigt), andere etwas weniger. Der Tempel, in dem der Film Tomb Raider gedreht wurde, hat ein paar besonders schöne Bäume, die über die Bauwerke wuchern und ist eine Touristenattraktion.

Eine besonders alte Tempelanlage aus der vor-angkorianischen Epoche (Sambor Prei Kuk) liegt auf halben Weg zwischen Phnom Penh und Angkor. Die Anlage dort ist zwar auch UNESCO Weltkulturerbe, wird aber noch weniger von Ferntouristen besucht. Auch zu Recht: die Gegend um Angkor Wat ist noch eindrucksvoller. Dort in Sambor Prei Kuk aber an den etwas verschlafenen Tempelruinen sitzen kambodschanische Ausflügler zwischen Tempelruinen und Urwaldbäumen, machen Picknick und grillen. Zwischen den Tempelanlagen weiden Kühe.

Ein Grund, warum Angkor Wat besonders gut erhalten ist, besteht darin, dass Angkor Wat eine besonders breiten Wassergraben hat und der Wald daher weniger stark den Tempel überwallen konnte. Ein zweiter Grund ist wohl, dass Angkor Wat immer genutzt wurde. Es gab wohl über die Jahrhunderte immer Mönche in Angkor Wat. Die letzten Jahrhunderte waren das buddhistische Mönche, da Kambodscha irgendwann in der Geschichte buddhistisch geworden ist und auch heute noch ist.

Angkor Wat ist in Kambodscha ein nationales Symbol. Die Skyline von Angkor Wat findet sich auf der Kambodschanischen Fahne. Und Angkor Bier gibt es auch.

Ich wünsche Euch immer ein kühles Bier im Kühlschrank!
Auch wenn es bei Euch im Januar nicht 32 Grad ist…
Alles Gute
Michael