Urlaub zu dritt

Bericht 58 aus China, Nachtrag zu unserem Urlaub in den Weihnachtsferien: Aufbruch in ein neues Jahr. Geschrieben am 11.2.2023 von Simone.

Gefühlt ist es schon ein halbes Jahr her, dass wir in Xiamen waren. Kurze Erinnerung: Die Coronabeschränkungen waren gerade gefallen, Covid war durch Peking gefegt und hatte einen nach dem anderen in unserer Familie erwischt – David leider einen Tag vor unserer geplanten Abreise in den Südosten Chinas. Wir hatten in den Wochen davor bereits zwei Urlaube absagen müssen, deswegen fiel nach ausführlichem Familienrat die Entscheidung: David und Michael bleiben in Peking, Paul, Julia und ich treten den gebuchten Urlaub an.

Am Neujahrsmorgen, mit der aufgehenden Sonne flogen wir nach Xiamen. Xiamen ist eine vergleichsweise kleine Millionenstadt (5 Millionen), die noch übersichtlich geblieben ist. Sie liegt gegenüber von Taiwan auf dem chinesischen Festland und einige kleine taiwanesische Inseln befinden sich nur 5 Kilometer vor der Küste.

Wir landeten in den Subtropen mit Bäumen, deren Luftwurzeln im Wind wiegten und bunt blühenden Büschen überall. Es sah aus, als hätten die Bäume Haare!

Unser erstes Ziel war eine Gegend etwa 150 km westlich im Landesinneren. Dort lebt eine Volksgruppe, die Hakka, die seit 600 Jahren runde Lehmburgen zum Schutz vor Feinden bauen. Diese riesigen Rundhäuser heißen Tulous und es leben hunderte von Menschen darin – alle von einer Familie. Die Männer bleiben ihr Leben lang im selben Tulou, die Frauen ziehen mit ihrer Heirat in das Tulou ihres Mannes.

Ein Tulou kann 3, 4 oder 5 Stockwerke haben und eine Wohnung geht über alle Stockwerke hinweg. Denn jedes Stockwerk hat eine andere Funktion: Im Erdgeschoss sind Küche und Esszimmer, meistens auch im Freien. Im 1. Stock werden Lebensmittel und andere Dinge gelagert und die Stockwerke darüber sind Wohn- und Schlafräume. Hier sieht man ganz gut, dass übereinanderliegende Einheiten zusammen gehören:

Wir dachten erst, die Tulous seien historische Wohnanlagen, aber sie sind alle noch bewohnt, und zwar immer noch von einer Großfamilie! Diese Art zu wohnen stellen wir uns als sehr große Herausforderung vor. Vier Generationen einer Familie in einer Burg, alle Brüder und Cousins, Väter und Onkel, ihr Leben lang zusammen, und die Frauen von außerhalb, die immer die „Reingschmeckten“ sind, wie wir in Schwaben so schön sagen.

Wir haben uns sehr, sehr viele dieser Rundhäuser angeschaut, das älteste, das größte, das schönste, runde, eckige, ovale, renovierte, umgebaute, alte, normale… Sie alle haben einen besonderen Charme und für ein bisschen Kleingeld durften wir auch ins obere Stockwerk.

Was man auf den Fotos auch sieht: Wir waren dort ziemlich allein. Viele Chinesen hatten zu der Zeit wohl noch Covid oder Angst, ihre Alten anzustecken, oder sie hatten es noch nicht und versuchten eine Ansteckung zu vermeiden.

Die Insel Gulanyu

Anfang Januar, mitten im Winter. 
Wir sitzen im T-Shirt am Strand

und essen Eis.
Julia sagt: „Das ist doch
verrückt!“

Das Leben in den
Subtropen ist toll.

Wir lieben es.

Die zweite Station unserer Reise war die kleine Insel Gulanyu, die direkt vor Xiamen liegt. Dort ließen sich vor knapp 150 Jahren die Kolonialmächte nieder, heute ist die Insel eine Touristenattraktion wegen der westlichen Architektur, der engen, auto- und fahrradfreien Gassen, der traumhaften Bäume und Blumen und natürlich wegen des Meeres! Wir sind zwei Tage lang über die hügelige Insel gelaufen, haben die Meeratmosphäre genossen und auch einen Abstecher nach Xiamen gemacht. Dort ist die Krupp-Kanone eine bekannte „Sehenswürdigkeit“; ich fand den Ein-Baum-Wald daneben tausendmal bewegender…

Exkurs Kolonialmächte in China: https://de.wikipedia.org/wiki/Vertragsh%C3%A4fen#Vertrags-_und_Pachth%C3%A4fen_in_China

Faktisch handelte es sich bei den Häfen um exterritoriale
Niederlassungen.
Die schwachen ostasiatischen Kaiserreiche
wurden gezwungen, den Kolonialmächten in ostasiatischen Hafenstädten deren
eigene Verwaltung, eigene
Gerichtsbarkeit
, eigene Polizeigewalt
und eigene Zollhoheit zu gewähren und ihnen damit Hoheitsrechte
in diesen Städten zu überlassen.

Nach dem Ersten Opiumkrieg erzwang Großbritannien 1842 auch die Öffnung von Xiamen (Amoy), Fuzhou, Ningbo und Shanghai.

Aus der Luft gesehen: Xiamen (links) und die Insel Gulanyu

Wuyishan

Weil wir auch noch Natur sehen wollten, hatten wir als dritte Station die Gegend um Wuyishan, das Wuyi-Gebirge, ausgewählt. Ähnlich wie in Guilin gibt es hier phantastisch geformte Berge, zwischen denen ein Fluss mäandert, an dessen Ufern Palmen, Bambus, Reis und Tee wachsen.

Hier sind wir zu sechs Teebüschen gewandert, die hoch oben in einer Felsnische stehen und wahrscheinlich die berühmtesten Pflanzen Chinas sind. Sie sind über 350 Jahre alt und dienen als Mutterpflanzen für die großen Teefelder rund herum. Ein Gramm dieses Da Hong Pao-Tees kostet gerne auch mal mehr als ein Gramm Gold…

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Jeden Abend haben wir beim Abendessen mit unseren beiden Männern in Peking telefoniert, fast so wie während der Quarantäne 2020. Paul, Julia und ich sind uns einig, dass wir andere Dinge sehen als mit ihnen. Wir sprechen wahrscheinlich weniger mit Einheimischen, sind nachmittags länger unterwegs und früher im Bett. Die Kinder verwenden deutlich weniger Zeit mit der Planung, wann wer ins Bad geht. Paul ist ganz froh, dass er sich nicht als Zimmerchef darum kümmern muss, dass Julia und David ins Bett gehen und morgens aufstehen.
Es klappt auch zu dritt gut. Unser nächster Urlaub wird wieder in anderer Besetzung sein, Paul bleibt zu Haus, um fürs Abi zu lernen.

Wir freuen uns auf unsere nächsten Reisen und sehen den nächsten Monaten frohgemut entgegen!

Dasselbe wünschen wir euch auch!

Liebe Grüße

von Simone

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